Die Videovignetten mit ihren Begleitmaterialien sind vielfältig nutzbar:
- In allen Phasen der Lehrkräftebildung (Lehramtsstudium, Vorbereitungsdienst, berufsbegleitende Fortbildung).
- Im Selbststudium (lebenslanges Lernen außerhalb von formaler Aus- und Fortbildung).
- In Lerngruppen bzw. kooperativen Lernumgebungen ebenso wie in Einzelarbeit.
- Vollständiger Einsatz aller Vignetten für ein umfassendes Training oder selektive Auswahl einzelner Vignetten zu ausgewählten Bildungsbereichen oder Heterogenitätsdimensionen (Kognition, Sprache, Verhalten).
- Zur Einführung ebenso wie zur Vertiefung des Themengebiets Inklusion/Heterogenität und der förderbezogenen Diagnostik.
In diesem Sinne können die Videovignetten mit ihren Aufgabenstellungen und Impulsen zur Bearbeitung sowohl von Lehrkräftebildner:innen (Hochschullehrenden, Seminarlehrkräften, Fortbildende) als auch von (angehenden) Lehrkräften eingesetzt werden.
Einsatzbereiche für die Videovignetten
Aufbau und Nutzungsmöglichkeiten der Videovignetten
Kern der Videovignetten bilden die Videoclips. Diese können frei oder anhand von strukturierenden Aufgaben zum professionellen Wahrnehmen und Handeln im Unterricht in Bezug auf förderbezogene Diagnostik bearbeitet werden. Aus der Übersicht der Videovignetten wird je nach gewünschtem Schwerpunkt (Bildungsbereich, Heterogenitätsdimension und Unterrichtsthema) eine Videovignette ausgewählt.
Abhängig von der gewünschte Tiefe der Bearbeitung können folgende vignettenspezifischen Informationen und Begleitmaterialien eingesetzt werden:
1. Informationen zum Videoclip und dem darin gezeigten Unterricht (z. B. Kurzbeschreibung der Unterrichtsphasen mit Zeitmarken zur schnellen Navigation, kontextuelle Einordnung in das Curriculum und die Unterrichtseinheit).
2. Materialien zum bzw. aus dem gezeigten Unterricht (z. B. Unterrichtsmaterialien, Musterlösungen, Arbeitsergebnisse von Schüler:innen) zum Download.
3. Impulse zur Bearbeitung der Vignette bzw. zur Entwicklung von Handlungsstrategien zur förderbezogenen Diagnostik für Dozierende (z. B. Lehrkräftebildner:innen) sowie das Selbststudium von (angehenden) Lehrkräften.
Die Videovignetten regen dazu an, über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten förderbezogener Diagnostik nachzudenken und diesbezügliche Handlungsalternativen zu entwickeln. Sie zeigen keine abgeschlossenen Good Practice-Bespiele. Fehlende Informationen, die für die Konkretisierung der förderbezogenen Diagnostik hilfreich oder notwendig sein können, aber nicht im Video- oder Begleitmaterial enthalten sind, können fiktiv ergänzt werden. Dies eröffnet die Möglichkeit einer gezielten Variation von Hintergrundinformationen (z. B. zum Bildungshintergrund der Schüler:innen, zur Häufigkeit des Auftretens des gezeigten Verhaltens o. Ä.), um wesentliche Einflussfaktoren auf Entscheidungen im Zusammenhang mit der förderbezogenen Diagnostik herauszuarbeiten.
Hinweise zu den Aufgaben
Für ein strukturiertes Training des professionellen Wahrnehmens und Handeln in Bezug auf förderbezogene Diagnostik können die begleitenden Aufgaben genutzt werden. Diese sind für alle Videovignetten einheitlich und bestehen aus vier aufeinander aufbauende Teilaufgaben. Sie orientieren sich am Modell des professionellen Wahrnehmens und Handelns von Barth (2017) sowie hinsichtlich des Gegenstandes an unserem Modell zur förderbezogenen Diagnostik. Abweichend von Barth verstehen wir das Wissen als Disposition für alle weiteren Stufen und nicht als eigene Stufe. Zudem verzichten wir in unseren Aufgaben auf die letzte Stufe des Implementierens, da die im Zusammenhang mit den Videovignetten erarbeiteten Handlungen nicht unmittelbar in die unterrichtliche Praxis umgesetzt werden (können).
Schritt 1 „Erkennen“ erfordert eine Beschreibung dessen, was Nutzer:innen in der gezeigten Situation wahrnehmen. Dabei geht es nicht darum, dass alles beschrieben werden muss, was in der Szene zu sehen ist. Vielmehr ist ein Fokus auf besonders relevante Merkmale bzw. auffällige Begebenheiten insbesondere bezüglich des Lernprozesses der Schüler:innen, der auch Tiefenstrukturen miteinbezieht, zielführend. Beobachtungen sollten durchgehend deskriptiv dargestellt werden. Interpretationen, Wertungen oder Hypothesenbildung sind an dieser Stelle noch nicht vorzunehmen.
Schritt 2 „Beurteilen“ baut auf den Beschreibungen aus Schritt 1 auf. Die dort erkannten relevanten Merkmale sollen nun theoretisch eingeordnet werden, wodurch Schlussfolgerungen für den diagnostischen Prozess möglich werden. Beispielsweise kann thematisiert werden, inwiefern bzw. an welchen Stellen der Lernprozess der Schüler:innen gehemmt sein könnte und/oder inwiefern die bereits erkennbaren diagnostischen Handlungen ausreichend sind. Eine Hypothesenbildung zu konkreten Ursachen für Lernhemmnisse ist möglich, aber nicht zwingend erforderlich. Am Schluss steht die begründete Entscheidung, inwiefern es im vorliegenden Fall sinnvoll ist, förderbezogen zu diagnostizieren bzw. diesbezüglich weitere Anstrengungen zu unternehmen. Hier geht es noch nicht um die Erarbeitung diagnostischer Strategien oder die Benennung konkreter Methoden. Dies ist Gegenstand von Stufe 3.
Schritt 3 „Generieren“ zielt auf eine Auflistung aller (weiteren) diagnostischen Handlungen, die den Nutzer:innen in dieser Situation bzw. für diesen Unterricht grundsätzlich sinnvoll erscheinen. Diese dürfen lose nebeneinanderstehen und müssen nicht zwingend zusammenpassen. Wichtig ist, dass mehrere Alternativen benannt werden. Eine Entscheidung ist hier noch nicht erforderlich, diese folgt auf Stufe 4. Es sollten jeweils der Gegenstand (was diagnostiziert werden soll), die Methode (wie dies diagnostiziert werden soll) und das Ziel (warum dies diagnostiziert werden soll) angegeben werden. Dabei können explizit auch informelle, niedrigschwellige Verfahren miteinbezogen werden. Maßnahmen, die ausschließlich der Förderung der Schüler:innen dienen, sind nicht gefragt.
Schritt 4 „Entscheiden“ baut auf den entwickelten Alternativen aus Schritt 3 auf. Hier entscheiden sich die Nutzer:innen, wie sie in der gegebenen Situation vorgehen würden. Es kann sich entweder für einen (ersten) diagnostischen Schritt entschieden werden oder für eine Reihenfolge von Schritten. Diese sollten stimmig aufeinander aufbauen bzw. zueinander passen. Alternative Vorgehensweisen je nach den Ergebnissen eines Diagnoseschritts sind möglich, aber nicht notwendig. In jedem Fall ist eine klare Entscheidung erforderlich, keine Wiederholung aller Möglichkeiten aus Aufgabe 3. Die ausgewählte Vorgehensweise sollte zur Situation passen und muss dementsprechend begründet werden. Die Ausführung kann ebenso Gründe enthalten, weshalb andere Schritte nicht gewählt wurden.
Die vier Schritte sollten so eng wie möglich auf die im Video gezeigte Szene bezogen werden. Sämtliche Ausführungen sind an konkreten, in Video und Begleitmaterialien ersichtlichen Beobachtungen festzumachen. Der Fokus der Aufgabe liegt auf förderbezogener Diagnostik. Überlegungen, die keinen direkten Bezug zu Lernprozess und Diagnostik aufweisen (z. B. Classroom Management), sollten soweit möglich ausgeklammert werden.
Literatur
Barth, V. L. (2017). Professionelle Wahrnehmung von Störungen im Unterricht. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16371-6